Geschenkpapier

14. Dez. 2021 | Alltagsgeschichten, Tipps und Tricks

 

Ich bin in einem Haushalt aufgewachsen, in dem es eine Geschenkpapierschublade gab. In dieser Schublade unseres Wohnzimmerschranks wurde „noch gutes“ Geschenkpapier und auch Geschenkband verwahrt, das wir dann mehrere Male benutzt haben. Diese Schublade wurde auch niemals leer und jedes Jahr fanden sich gute alte Bekannte darin.

Den ultimativen Super-Saver Tipp, den ich aus meiner Kindheit nicht kannte, erfuhr ich später von einer älteren und leider viel zu früh verstorbene Freundin: sie hat das gebrauchte Geschenkpapier nicht nur mehrfach verwendet, sondern es vorher sogar gebügelt! Klar, dass ich das danach auch sofort ausprobiert habe. Auf das Thema kamen wir überhaupt erst, weil meine Freundin bei einem Treffen ganz stolz und glücklich erzählte, dass sie es geschafft hatte, für 99 Cent eine Rolle neues Geschenkpapier zu kaufen und in jenem Jahr keine Geschenke mehr in schon mal benutztem Papier einpacken wollte. Finanziell musste sich meine Freundin keine Sorgen machen, ums Geld ging es überhaupt nicht. Bei ihr ging es als Nachkriegskind vielmehr um die Überwindung des Mangeldenkens und Armutsbewusstseins.

Mein beeindruckendstes Geschenkpapier-AHA-Erlebnis hatte ich, als mein Mann und ich einen Cousin meines Mannes besuchten. Wir hatten ein Geschenk mitgebraucht, das freudig und wertschätzend ausgepackt wurde. Doch dann knüllte der Cousin das Papier samt Geschenkband zusammen und warf es – ohne mit der Wimper zu zucken – in den Müll. Das war die offenbar selbstverständlichste Sache der Welt für ihn und das, was man mit Geschenkpapier macht. Ist es nicht dazu da, etwas einzupacken, damit der Beschenkte nicht sieht, was drin ist und wenn es seinen Zweck erfüllt hat, entsorgt man es?! Ich kann mich noch so gut an mein Erstaunen erinnern und dachte: Wow, so kann man das auch machen! Das geht ja ganz leicht. Das war mir bis dahin nie in den Sinn gekommen. Never ever! Denn – wie gesagt – ich bin anders geprägt.

Auch heute merke ich noch den Drang, Geschenkpapier glatt zu streichen und ordentlich zusammenzulegen, egal wie oll es ist oder ob es mir gefällt oder nicht. Und mein kleines, grünes Herz schreit „Aua“ bei dem Gedanken, dass etwas nur einmal verwendet werden soll. Gleichzeitig möchte ich die Geschenke, die ich verschenke, aber auch schön und ansprechend gestalten. Damit ich nicht alle Jahre wieder durch den inneren Geschenkpapier-Konflikt zu nichts anderem mehr komme, bin ich gnädig mit mir und es gibt einen maßvollen Mix.

Zu meiner Grundausstattung gehört eine Rolle braunes Packpapier (neu), gebrauchtes Papier, diverse Bändchen (gesammelte Werke) und ein paar Rollen mit Papierkordeln. Dazu noch ein paar kleine Stoffbeutel und Papiertüten. Ich verwende Materialien wieder, verpacke auch gerne etwas in Zeitungspapier (am besten mit Artikeln, die zum Geschenk oder dem Beschenkten passen). Alte Stadtpläne eignen sich auch gut. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt und im weltweiten Netz findet man Anregungen ohne Ende. Ganz selten lasse ich auch einmal ein Geschenk im Geschäft verpacken und genieße das Gefühl, dass dadurch mein Bedürfnis nach Unterstützung erfüllt wird.

 

Mein Aufräum-Tipp auf die Schnelle:

  • Stell´ dir einen Timer auf 5-10 min.
  • Nimm´ dir deinen Geschenkpapiervorrat vor und teile ihn in drei Stapel
    1. Zerrissen und verschlissen: das darf direkt in den Müll.
    2. Noch gut, gefällt mir aber nicht: das darf auch gerne in den Müll.
    3. Noch gut und ich verwende es: verbrauche es dieses Jahr und kaufe kein neues Geschenkpapier ein.

Wer etwas tiefer gehen möchte, kann sich in dieser Weihnachtssaison den Geschenkpapiervorrat einmal unter dem Aspekt anschauen: Gefällt mir das wirklich? Behalte ich etwas nur weil ich es so kennengelernt habe? Was passiert, wenn ich etwas verändere und anders mache als die Jahre zuvor? Beobachte dabei nicht deine Gedanken bei der Vorstellung davon, was alles passieren könnte und dass man das doch nicht machen kann. Sondern spüre hin, welche Gefühle auftauchen, wenn du es wirklich tust! So kannst du deinen Aufräummuskel trainieren und – quasi ganz nebenbei – tiefere Einsichten ins eigene Leben und in deine Prägungen und Muster gewinnen.