Alltagsgeschichten
The English just don´t like to be rushed, that´s all.
Lonely Planet `England´
Wenn ich in fremden Ländern unterwegs bin, bereitet es mir immer großes Vergnügen, in den örtlichen Supermärkten und Geschäften einkaufen zu gehen. Es gibt so viel zu entdecken und zu beobachten. Man findet hier, abgesehen von den überall auf der Welt erhältlichen Dingen, all die interessanten landestypischen Spezialitäten und Leckereien, die man zu Hause nicht oder nicht so leicht bekommt, und die zu Hause auch einfach nicht so (gut) schmecken.
Vor allem nehme ich Anteil am Alltag der Einheimischen und sehe, wie alles funktioniert. Das ging mir hier in England am Anfang nicht anders. Mittlerweile ist alles bekannt und auch zu meinem Alltag geworden. Und meine Begeisterung fürs Einkaufen hält sich wieder in Grenzen. Zum Glück haben wir einen Biokistenlieferanten gefunden, der uns jede Woche mit frischer und hauptsächlich regionaler Ware versorgt. Infos zu den Produkten, Neuigkeiten von der Farm und zur landwirtschaftlichen Entwicklung im Land gibt es gratis dazu.
Ab und zu müssen wir dennoch in den Supermarkt. Eine Sache ist mir hier direkt aufgefallen: die Leute bringen ihre eigenen Einkaufstaschen mit. Und zwar nicht so kleine Stoffbeutel oder Körbe. Sondern die größeren, rechteckigen mit den breiten Henkeln. Das tun sie landesweit und egal in welchem Supermarkt. Überall sind es diese großen Taschen. Man hat sie dabei, legt sie in Einkaufswagen, so dass man sie leicht zur Hand hat und startet seinen Einkauf.
Ist man an der Kasse angelangt und hat alles aufs Band gelegt, faltet man die Taschen auseinander und stellt sie nebeneinander in den Einkaufswagen. Dann wird die Ware direkt vom Band in die Taschen verstaut. Das kann schon mal ein paar Sekunden länger dauern, als wenn man alles einfach so in den Einkaufswagen schaufelt. Doch die Kassierer nehmen sich die Zeit. Sie warten einfach, bis der Kunde soweit ist und es weitergehen kann. Auch die nachfolgenden Kunden haben offensichtlich die Zeit. Es „hupt“ niemand. Und keiner verdreht genervt und deutlich sichtbar die Augen, wenn jemand sein Kleingeld zusammenkratzt, um den Betrag passend zu geben. Selbst wenn bargeldlos bezahlt wird, was meistens der Fall ist, kann das dauern. Nicht immer will die Karte direkt aus ihrem Fach im Portemonnaie kommen. Alle warten höflich, bis die einzelnen Schritte des Bezahlvorgangs nacheinander abgearbeitet sind und der Bereich hinter der Kasse wieder komplett frei ist. Erst dann kommt der nächste Kunde an die Reihe.
Ich finde das sehr angenehm. Und merke, wie ich auf Zeit trainiert bin. Es ist ja nicht so, als würde es hier gar nicht vorwärts gehen oder als würde man während des Wartens einschlafen. Absolut nicht. Eigentlich gibt es gar keine Verzögerung. Ich komme einfach nicht so unter Druck, schnell machen zu müssen. Oder ansonsten mit Unfreundlichkeit gestraft zu werden. Zumindest nicht an den Kassen mit lebenden Mitarbeitern. Bei den Self-checkout Kassen ist es etwas anderes. Aber die kann ich zum Glück ja noch meiden.
Ausmisten
Karneval kommt jedes Jahr mindestens genauso überraschend wie Weihnachten oder Ostern. Wahrscheinlich gibt es deshalb in den meisten rheinischen Haushalten eine Karnevalskiste. Dort sammeln sich alle möglichen Kostüme in verschiedenen Größen, Formen und Farben, Perücken, rote Nasen, Krawatten, Handschuhe, Taschen und sonstige Accessoires, die man zum Verkleiden braucht. So kommt man bei einer spontanen Einladung zum Schunkeln auch nie in die Verlegenheit, nichts Passendes zum Anziehen zu haben. Gerne verschwindet dort auch mal das eine oder andere Kleidungsstück, von dem man sich dann doch noch nicht so ganz verabschieden mochte. Man könnte es an Karneval wieder gebrauchen …
Ich liebe den Karneval. Da bricht bei mir die Rheinländerin durch. Auch wenn ich gar nichts für große Menschenmassen übrig habe, keinen Alkohol trinke, es mir in der fünften Jahreszeit meist zu kalt ist und ich oft so tue, als bräuchte ich das gar nicht. Aber wenn es denn dann auf Weiberfastnacht zugeht, werde ich immer nervöser. Mein Mann kennt das schon. Einmal haben wir uns, als wir noch in Berlin wohnten, sehr spontan und sehr früh am Karnevalssamstag ins Auto gesetzt und sind zu einer Freundin nach Köln gefahren, um uns unters Volk zu mischen. Herrrlisch!
Wenn du auch zu den Jecken gehörst, die sich ins Getümmel stürzen, ist es jetzt höchste Zeit, um die Karnevalskiste einmal durchzuflöhen und dich zu fragen:
1. Passen die Kostüme noch?
Hast du zugenommen? Abgenommen? Sind die Kinder gewachsen? Magst du die Kostüme noch oder weißt du ganz genau, dass weder du noch irgendjemand aus deiner Familie sie jemals wieder anziehen wird? Kannst du vielleicht welche umändern und ein neues Kostüm kreieren? Wirst du das auch tun? Wenn du die letzten Fragen nicht mit einem engagierten „Ja!“ beantworten kannst, gib´ die Sachen sofort weiter. Zwar kannst du sie auch noch einmal durchschauen, wenn du sie wieder in die Kiste zurücklegst. Das empfehle ich sogar! Allerdings kann es nach den frohen Tagen unter Umständen schwierig sein, die Sachen zu spenden. Sei da einfach ein bisschen aufmerksam und schaffe die ausrangierten Teile entschlossen innerhalb der nächsten Tage aus dem Haus.
2. Ist die Schminke noch in Ordnung?
Sortiere sie im Zweifelsfall aus und kauf´ dir neue. Deine Haut wird es dir danken.
3. Hast du genug Platz für alles?
Wenn du Spaß daran hast, in viele verschiedene Rollen zu schlüpfen, hast du sicher einen ganzen Fundus zu Hause. Sind die Sachen überall verteilt oder bewahrst du sie an einem Ort auf? Kannst du alles gut erreichen, wenn du es brauchst? Sind die Kostüme ordentlich zusammengelegt und aufgehängt oder zerknüddeln sie immer, weil es einfach zu viele sind? Nutzt du den vorhandenen Platz optimal aus? Brauchst du noch ein paar Kartons, Kisten oder Ordnungshelfer zum besseren Verstauen?
Fit für die nächste Session
Besorge dir alles, was du brauchst. (Mein Tipp: Shop your home! Schau´ zuerst bei dir zu Hause nach, ob du etwas Passendes findest, bevor du etwas kaufst.) Nähe und repariere alles, was gelitten hat und kaputtgegangen ist.
Wenn am Aschermittwoch alles wieder vorbei ist und du erfüllt und froh gelaunt, vielleicht auch noch etwas verkatert und mit einem weinenden Auge, die Sachen frisch gewaschen und komplett in Ordnung wieder an ihren Platz packst, bist du gut gerüstet für die nächste Session.
Alltagsgeschichten, Motivation
Gehörst du zu denen, die zum neuen Jahr gute Vorsätze gefasst haben? Ist „Weniger Alkohol trinken“ einer davon? Willst du für einen begrenzten Zeitraum nichts Alkoholisches konsumieren? Soll es einfach generell ein bisschen weniger sein? Oder hast du vor, für immer und ewig abzuschwören? Was auch immer dein Beweggrund ist, du bist in bester Gesellschaft.
Hier im Vereinigten Königreich hat sich Emily Robinson von Alcohol Change UK im Jahr 2012 überlegt, einen Monat auf Alkohol zu verzichten, um fitter und gesünder zu werden, bevor sie ihren ersten Halbmarathon angeht. Emily war begeistert von dem Ergebnis: sie schlief besser, hatte mehr Energie und hat auch noch Geld gespart! Sie konnte ihre Kollegen inspirieren, mitzumachen und so wurde 2013 die Idee des Trockenen Januars geboren. Mittlerweile ist es zu einem Trend herangewachsen und weit über die britischen Grenzen hinaus bekannt. In den sozialen Medien werden Tipps und Tricks verraten, es wird vor möglichen Gefahren gewarnt und Jung und Alt berichten über ihre Erfahrungen. Auch die Wirtschaft reagiert – im wahrsten Sinne des Wortes – auf das sich ändernde Konsumverhalten: Kneipenbesitzer ordern weit weniger Bier oder locken ihre Kunden im Januar mit deutlichen Preissenkungen fürs flüssige Brot an die Theke. Supermarktketten wiederum reagieren mit kräftigen Preiserhöhungen für nicht-alkoholische Getränke und alkoholfreie Biere.
Ich vermute, dass es nach zwei Wochen Abstinenz für manch einen bald ans Eingemachte gehen und die zweite Hälfte zu einer langen Durststrecke werden wird. Andere fragen sich vielleicht, warum sie das nicht schon eher mal gemacht haben. Und ein paar werden dabeibleiben und auch zukünftig auf Alkohol verzichten, weil sie einfach nichts vermissen. Die englische Sprache hat dafür den charmanten Begriff des teetotallers, was sich in meinen Ohren nicht so spaßbefreit und dröge anhört wie Abstinenzler.
Hier ein paar Tipps zum Durchhalten:
- Nimm´ Mineralwasser statt Sekt zum Anstoßen. Das prickelt auch.
- Sei mit Freunden unterwegs, die ohne Alkohol lustig sind.
- An alle rheinischen Jecken: Geht früh an Weiberfastnacht los, bevor alle anderen ihren Pegel erreicht haben und verabschiedet euch rechtzeitig.
- Fürs Oktoberfest: Da habe ich keinen Tipp, denn da bin ich tatsächlich noch nie gewesen.
- Entsorge alle alkoholischen Getränke, die du bei dir findest: Verkaufe sie (ja, auch dafür gibt es spezielle Auktionen) spende sie, verschenke sie oder kippe sie in den Ausguss.
- Denk´ an den Spruch: Wer abends nicht säuft, der braucht am nächsten Morgen kein Katerfrühstück.
Cheers!
Neuigkeiten
Ich wünsche dir ein ausgeglichenes, frohes und gesegnetes Jahr 2024!
Wie bist du ins neue Jahr gekommen? Bei mir hat es sehr ruhig angefangen, denn ich bekam einen Tag vor Silvester Fieber und habe, anstatt mit Freunden zu feiern, auf der Couch gelegen. So ist das mit Plänen: Der Mensch denkt, Gott lenkt. Das könnte auch mein Jahresmotto für 2024 sein, wenn ich diesem Jahr denn ein Motto geben möchte.
Im Englischen gibt es einen Spruch: If you fail to plan, you plan to fail. Wenn du es versäumst zu planen, dann planst du zu scheitern. Da ist viel dran. Es hat mir schon oft geholfen, einen Plan zu machen, ihn aufzuschreiben und mich – ganz wichtig! – an diesen Plan zu halten. Ich bekomme die Sachen aus dem Kopf, kann Schritt für Schritt vorwärtsgehen, kann nachschauen, was ansteht, gerade wenn ich absolut keine Lust habe und total unmotiviert bin, etwas Unvorhergesehenes geschieht, was andauernd der Fall zu sein scheint, ich aufgewühlt oder durcheinander bin. Und sei es nur, weil ich schlecht geschlafen habe. Dann ist der Plan mein Grundgerüst, an dem ich mich entlanghangeln kann und zu meinem Ziel komme.
Gleichzeitig ist es so wichtig, anpassungsfähig zu sein, offen zu bleiben und das zu akzeptieren, was gerade ist, wenn sich Pläne nicht, noch nicht oder nicht ganz umsetzen lassen. Was bringt es denn, rigide an etwas festzuhalten? Vieles liegt sowieso nicht in unserem Einflussbereich. Das Leben passiert. Und Pläne können jederzeit und müssen oft geändert werden. Kleine Pläne, größere Pläne, sogar Lebenspläne. Manche Ereignisse sind freudige und manche sehr traurige Ereignisse. Wer hätte z.B. gedacht, dass ich 2022 mit meiner Familie nach England ziehen würden? Hier angekommen brauchten wir viel Flexibilität, denn wir fanden nicht alles so vor, wie gedacht. Viele Dinge waren auch so neu, dass wir gar keine Pläne hätten machen können. Es musste sich alles erst entwickeln. Das hat es und ich kann sagen: Es ist so viel Gutes dabei!
Es kommt auf die Balance an: Ein Grundgerüst gibt die nötige Stabilität, Offenheit und Flexibilität machen das Leben lebendig und lassen Raum für etwas viel Größeres jenseits der eigenen Pläne.
Das vergangene Jahr war für mich ein sehr intensives Jahr, ich war viel unterwegs und aktiv. Jetzt steht es an, alles zu verdauen, zu sortieren und tiefer aufzunehmen. Insofern kann ich den ruhigen Tagen auf dem Sofa um den Jahreswechsel eine Menge abgewinnen. Ich nehme es als Geschenk und Richtungsanzeiger dafür, dass ich es in diesem Jahr ruhiger angehen lassen kann.
Wo stehst du gerade? In welcher Phase befindest du dich? Ist es dran, Sachen aktiv voranzubringen oder hast du alles getan und kannst dich jetzt eine Weile zurücklehnen und die Dinge reifen lassen? Und wie schaffst du es, die Balance zu halten?
Ich freue mich, von deinen Erfahrungen, Plänen und Vorhaben zu hören!
Herzlichst,
deine Wiltrud